Donnerstag, 11. Dezember 2014

Dienst nach Vorschrift zum „kleinen“ Jubiläum: John Sinclair 1900

Die Geschichte ist sattsam bekannt: Im Jahr 1973 schrieb der Autor Helmut Rellergerd alias Jason Dark den ersten Gespenster-Krimi und John Sinclair Roman „Die Nacht des Hexers“. Es folgten 49 weitere Bände des Gespenster-Krimi mit dem Protagonisten John Sinclair aus der Schreibmaschine Darks, ehe John Sinclair Anno 1978 mit „Im Nachtclub der Vampire“ seine eigene Serie erhielt. Zu Beginn noch gelegentlich von weiteren Autoren unterstützt, die insgesamt 55 Romane verfassten, schrieb Jason Dark die Serie über einen sehr langen Zeitraum allein. Seit Band 1851 erscheinen wieder John Sinclair Romane anderer Autoren. Im Dezember 2014 erreicht die Serie den Band 1900, und es wird wohl allgemein kaum bezweifelt, dass sie in zwei Jahren als vierter Dauerbrenner des Bereichs Männerroman nach Jerry Cotton, Perry Rhodan und Lassiter den 2000. Band erreichen wird. Derzeit befindet sich die Serie aufgrund der massiven Beteiligung neuer Autoren im Umbruch.
Mein erster Sinclair, „Die Menschenfalle“, wurde mir Anno 1981 leihweise in die Hand gedrückt, seither habe ich immer mal wieder hineingelesen, intensiv und regelmäßig aber nur zu Beginn der Neunziger Jahre bei den 600er und 700er Bänden. Die seit dem Jahr 2000 erschienenen Hörspielserien habe ich regelmäßig verfolgt.
Nun also liegt Band 1900 vor, verfasst von Jason Dark. Nutzt der Altmeister die Gelegenheit, zum Jubiläum einen Paukenschlag zu setzen? Der Titel „Fegefeuer“ ist zumindest vielversprechend. Oder macht er Dienst nach Vorschrift? Letzteres trifft zu.

John Sinclair wird von Sir James gebeten, bei dessen Clubfreund Walter Wetford nach dem Rechten zu sehen. Wetfords Frau Alma hat sich an Sir James gewandt, da sie Zeuge wurde, wie ihr Mann in einem offenkundig magischen Feuer brannte. Bei seinen Nachforschungen wird John Sinclair zu einem Duell mit einem gewissen Lazarus Cole gezwungen.

Jemand hat mir mal über das Fach Philosophie gesagt, Philosophie erfordere die Fähigkeit zum Staunen. Ich habe oft genug erlebt, dass diese Art Staunen nicht nur zu Erkenntnisgewinn führt, sondern auch großen Spaß machen kann.
Die Beschäftigung mit Phantastischer Literatur lädt natürlich auch zum Staunen ein. Zu einem Staunen, das von vornherein als lustvoll angelegt ist. Autor, erzähle mir etwas Ungewöhnliches, bringe mich zum Staunen.
Im landläufigen Sinne ungewöhnlich wird es erwartungsgemäß am Anfang von Sinclair 1900: Ein Mann liegt in seinem Bett und steht in Flammen, aber er verbrennt nicht. Seine Ehefrau ist Zeugin. Müsste man dergleichen in einer Fernsehserie inszenieren, wäre die Vorgehensweise klar: Eine schöne Effektaufnahme, ein gellender Schrei, Zoom auf das entsetzte Gesicht der Ehefrau, Abblende, Vorspann. (Bei allem Respekt vor Kai Maertens: Bitte jetzt nicht an den Vorspann der TV Serie „John Sinclair“ denken. Lieber an den von „True Blood“) Literatur hat andere Mittel. Beschreibungen und Dialoge. Die Beschreibung ist recht überzeugend. Wenngleich ein paar mal zu oft betont wird, wie ungewöhnlich das doch alles ist. Der auktoriale Erzähler dürfte das nicht, zumal nicht gegenüber Lesern, die schon etliche dieser Geschichten konsumiert haben. Der personale Erzähler darf das nicht nur, er muss das sogar (wenn auch nicht so oft wie hier), er schildert das Geschehen aus Sicht der Protagonistin, also der Ehefrau. Aber der Dialog?

"Walter..."
"Was ist?"
"Das frage ich dich. Was ist mit dir geschehen? Ich habe dich hier in deinem Bett gefunden, aber da hast du gebrannt und bist nicht verbrannt."
"Das weiß ich."
"Und warum ist das passiert? Warum hat dich das Feuer nicht verbrannt und von dir nur noch Asche übrig gelassen?"

Die Stimmung der Frau wird vorher gut angedeutet denn es heißt im Text"Sie musste sich räuspern und einige Male Luft holen, dann konnte sie reden." Leider reflektiert der Dialog diese Stimmung in keiner Weise. Den Ehepartner brennend vorzufinden dürfte zu einer geradezu existentiellen Urangst und zu einer völligen Erschütterung des vorhandenen Weltbilds führen. Aber wie wird hier darüber gesprochen? So wie über das Wetter oder das aktuelle Kinoprogramm. Mit derart hölzernen Dialogen wird leider viel Potential der Geschichte verschenkt.
Die Stilblüten, für die Jason Darks John Sinclair Romane bekannt sind, gibt es nach wie vor. Hier ein markantes Beispiel:

"Das tiefe Stöhnen. Nicht fortlaufend, sondern mit Unterbrechungen. Es kam ihr vor, als müsste Walter zwischendurch mal Luft holen, um weiter zu machen."

Da Stöhngeräusche gewöhnlich durch Ausatmen entstehen, ist das gelegentliche Einatmen zwischendurch doch nur natürlich und keineswegs seltsam. Diese Sätze sind völlig nichtssagend.
Das nicht wirklich ortsfremde Geräusch im Bett ihres Gemahls, welches die Ehefrau anlockt (die Eheleute haben getrennte Schlafzimmer) hat einen gewissen Subtext. Was treibt der Gemahl da wohl (und mit wem)? Der Autor schenkt dem Vorgang jedenfalls soviel dichterische Aufmerksamkeit, dass er ihm sogar eine eigenwillige Metapher widmet:

„Das Stöhnen war noch da. Sie empfand es als eine schlimme Musik, und sie hörte sich selbst schwer durch die Nase atmen.“

Ein jedenfalls potentiell pathologisches Geräusch als schlimme Musik, das hat etwas.
Auch manch andere Alltäglichkeit erhält eine gewisse literarische Erhöhung:

„Ich ging auf die Tür zu und machte kurzen Prozess, indem ich die Klinke nach unten drückte.“

Das regelmäßig wiederholte Bad im keinerlei Kombustionen hinterlassenden Fegefeuer hat auf Mr Wetford eine überraschende Wirkung: Es macht ihn unverwundbar. Leider scheut sich der Autor, diesen Umstand beim Namen zu nennen, stattdessen flüchtet er sich in blumige Umschreibungen.

„Sir James sprach davon, dass sich der Körper ihres Mannes verändert hat. Er ist stabiler geworden.“

oder auch:

„Die Veränderung ihres Körpers. Man kann durchaus von einer besonderen Härte sprechen.“

Es gibt noch andere Merkwürdigkeiten. Als Sinclair gegenüber Alex Wetford, dem Sohn Walters, bestätigt, dass Wetford Senior ihn niedergeschlagen hat, entspannt sich folgender Dialog:

„Jetzt kennen sie meine Eltern. Dazu gehört auch mein Vater. Ist er es gewesen, der sie niedergeschlagen hat?“
„Ja, so ist es gewesen.“
„He, das hätte ich dem Alten gar nicht zugetraut. Er ist schon ein harter Knochen. [...]“

Einmal abgesehen von dem ungemein scharfsinnigen Satz „Dazu gehört auch mein Vater.“: Welcher halbwegs vernünftige Mensch und mittelständische Unternehmer reagiert so auf die Nachricht, dass der eigene Vater gegenüber einem Polizeibeamten gewalttätig geworden ist?

Ein anderer Punkt ist das merkwürdige Verhalten von Sir James. Im Dialog zwischen John Sinclair und Walter Wetford offenbart dieser, warum der den Namen John Sinclair kennt:

„Egal, aber wenn Sir James redet, dann sind es spannende Geschichten und dann fällt auch hin und wieder der eine oder andere Name. Jetzt weiß ich auch, woher ich den Namen John Sinclair kenne. Sir James hat ihn schon einige Male erwähnt.“

Kann ein hochrangiger Yard-Beamter wirklich in seinem Club über spannende Fälle plaudern? Insbesondere hinsichtlich des Themas John Sinclair, dessen ungewöhnliche Fälle eher jenseits der öffentlichen Wahrnehmung liegen (sollten), erscheint das wenig plausibel.

Der Sieg über den Bösewicht Lazarus Cole gestaltet sich denkbar unspektakulär.

Zeitweise die Erzählstruktur alter James Bond Filme imitierend (Geplauder mit der Sekretärin, Einsatzbesprechung beim Chef, sogar die Vorstellung mit „Sinclair. John Sinclair.“) gelingt dem Autor ein leidlich unterhaltsamer durchschnittlicher Sinclair Roman mit den bekannten stilistischen Schwächen. Von einem würdigen Jubiläumsband ist das Werk jedoch weit entfernt, zumal selbst das spektakuläre Thema zu guter Letzt noch unnötigerweise relativiert wird.

Zum Abschluss noch eine markante Stilblüte:

"Ich nickte nur. Bei Küchen kannte ich mich aus. Ich hatte dort schon Vorfälle erlebt, die positiv waren, aber auch ins Negative rutschten. So hatte es in Küchen schon brutale Vorfälle gegeben, bis hin zu brutalen Morden."

Was soll man dazu sagen? Das ist nicht falsch, das ist nicht schlecht, das ist nicht blöd, das ist nicht satirisch (gemeint), das ist einfach... Sinclair.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Der Kommissar: Schwierigkeiten eines Außenseiters (Folge 78)

(Erstsendung: 30.08.1974)
Der überragende Gaststar dieser Folge ist Raimund Harmstorf . Harmstorf wurde durch die TV-Vierteiler "Der Seewolf" (Regie: u.a. Wolfgang Staudte, 1971) und "Michael Strogoff" (1976) bekannt. Auch in italienischen Produktionen war er zu sehen. Bei seinem Auftritt in "Der Kommissar" bleibt er seinem Image als Rauhbein treu.
Der Kleinhändler Domrose wurde erschlagen. Als er des Nachts wegen verdächtiger Geräusche von seiner Frau geweckt wurde, eilte er hinab in seinen Laden, um mit seiner für diesen Zweck bereitgelegten Pistole den vermuteten Einbrecher zu stellen. Nach einem kurzen Kampf findet die ebenfalls herbeigeeilte Ehefrau die Leiche ihres Mannes, die Pistole war nicht geladen, wie sich schnell herausstellt.
Da der Täter durch die Hoftür des Mietshauses entkommen konnte, ohne diese aufzubrechen, ist anzunehmen, dass es sich um jemanden aus dem Haus handelt. In dem Mietshaus leben insgesamt neun Parteien. Alle sind nicht gut zu sprechen auf Theo Klinger (Harmsdorf), der mit seinem lauten Motorrad für nächtliche Unruhe sorgt und sich seinen Mitmenschen gegenüber sehr rüde gebärdet. Echte Gewaltakte gegenüber Hausbewohnern sind nicht bekannt, lediglich mit dem Mordopfer Domrose gab es mal eine Prügelei, bei der die Anwohner den (eigentlich nicht sonderlich sympathischen) Ladenbesitzer anfeuerten.
Für Kommissar Keller ist Theo Klinger, der sich einerseits wie ein Rüpel gibt, andererseits aber mit rührender Aufopferung für seinen sehbehinderten und alkoholkranken Vater (Curt Bois) da ist, die Schlüsselfigur. Theo weiß mehr, als er zugibt, und es gelingt Keller schließlich, ihn zum Reden zu bringen und mit einem Trick den Mörder zu überführen.
Die Dialoge zwischen Keller und Theo Klinger sind bemerkenswert. Hier stehen sich zwei hervorragende Darsteller gegenüber, die beide ihre Rollenprofile, hier intellektuelles Kalkül und Unerschütterlichkeit, da enorme körperliche Präsenz und Rauhbeinigkeit genussvoll ausspielen.
Kellers Trick, der am Ende zur Überführung des Mörders führt, wirkt schon wie ein Vorgriff auf die Krimiserie "Der Alte" (Nachfolgeserie von "Der Kommissar", ab und seit 1977). In einer kleinen Rolle gibt Dirk Dautzenberg als Herr Heißmeier einmal mehr gekonnt den unsympathischen Kleinbürger.

Dienstag, 16. September 2014

The day I met George Takei

Kommt jetzt die Geschichte von der Star Trek Convention? Da trifft doch jeder seinen Star. Ja, schon. Ich besuchte einmal eine Star Trek Convention, Anno 1993 in Hannover, da hatte ich das Vergnügen mit Majel Barrett-Roddenberry. Leider erschöpfte sich unsere Konversation auf die korrekte Aussprache meines Vornamens, die kein Amerikaner ohne intensive Übung hinbekommt, daher lasse ich mich von amerikanischen Freunden sonst Joe nennen. Wahrscheinlich habe ich mich als Joe vorgestellt, aber auf Veranstaltungen trägt man nun einmal ein Namensschild.
Aber diese Geschichte spielt abseits einer Convention:
Anno 2000 entnahm ich zufällig und nebenbei an einem Samstag einer Zeitung die Information, dass sich George Takei in Hannover befände, zwecks Teilnahme an der Expo-Trek-Convention. Nichts Aufregendes, internationale Gäste gaben sich damals die Klinke in die Hand, und eine ST-Con im Rahmen der Expo war auch keine Überraschung. Ich vergaß das einstweilen.
Am darauffolgenden Montag befand ich mich in Hannover, Vorbereitungen für das anstehende Semester treffen. Im WS 2000/01 und im SoSem 2001 war ich Tutor, es laufen heute einige Deutschlehrer und Magister herum, deren erste Referate von mir betreut und deren erste Hausarbeiten von mir bewertet wurden. Tatsächlich eröffnete ich an dem Tag meinen ersten Internet-Account, um von da an vorerst nur in dunklen, muffigen Uni-Räumen die weite Welt des Netzes zu erkunden.
Wenn man ein wenig herumkommt, in verschiedenen Städten unterwegs ist, kennt man das: Man sieht jemanden, der einem unglaublich vertraut ist, aber irgendetwas stimmt nicht: der gehört hier doch nicht her. So ging es mir mit den Mann, den ich Höhe Königsworther Platz oder Universität in der Bahn sitzen sah. Das kann doch nicht George Takei sein. Doch, doch, laut Zeitung ist er ja in Hannover. Anzunehmen, dass seine Gastgeber ihm nach getaner Convention die Stadt zeigen. Leute ansprechen war mein Ding damals nicht, schon gar nicht auf Englisch, aber es gibt historische Situationen, in denen man handeln muss. Aber nicht in der Bahn.
Da ich keine offiziellen Termine hatte, beschloss ich, abzuwarten und mit George und seinem Tross auszusteigen. Es ging zum Regenwaldhaus. Sehenswürdigkeit, logisch. "Excuse me, Sir, are you George Takei?" Er bejahte und war genau so freundlich, wie er immer beschrieben wird. Neben der obligatorischen Autogrammvergabe (auf eine Seite eines Spiralblocks) entspann sich ein Gespräch, darüber, dass ich Englisch studierte, warum ich denn nicht auf der Convention gewesen sei, usw. Einer seiner englischsprachigen Begleiter lobte meine Sprachkenntnisse.
Seit ich fünf war ist mir George Takei als Steuermann Sulu ein Begriff, und es war toll, ihm so unverhofft einmal persönlich zu begegnen. An einem ob meiner heute mannigfaltigen Verbindungen mit dem Internet jedenfalls historischen Tag.


Montag, 11. August 2014

Gute Geschichten kommen wieder

Geht man heute ins Kino in einem Superheldenfilm, sieht man mitunter Dinge, die man schon vor fünfunddreißig Jahren in Comics gelesen hat. Nur eben in leicht veränderter Form. Das Zauberwort heißt "Reboot". Ich finde jedoch das deutsche Wort "Neustart" schöner.

Irgendwann in den Neunzigern habe ich eine Abhandlung über Superhelden-Comics gelesen. Der Verfasser betonte, dass Superhelden-Comics stets auf die Konfrontation des Helden mit einem Antagonisten (sei es ein Superschurke oder ein anderer Held) ausgerichtet sind. Die Konfrontation zählt, und diese wird auch beworben. Das ist nicht schlimm, das ist halt Fußballturnier (manchmal treten ja ganze Heldenteams gegeneinander an), das ist Wimbledon, das ist Boxweltmeisterschaft. (Lustigerweise gibt es ja einen Comic, in dem Superman unter einer roten Sonne gegen den damaligen Champ Muhammad Ali antritt, ein Vorausscheidungskampf für das Duell gegen einen ca. 2,70 großen muskelbepackten Alien.) Alle Helden wurden diverse Male generalüberholt, dennoch blieben stets grundsätzliche Handlungselemente bestehen, so dass jemand, der vor dreißig Jahren mal DC Comics gelesen hat, seinen Batman oder Superman heute sofort wiederkennen könnte. Wie gesagt, alles ist vergleichsweise simpel: sie kloppen sich halt. Seit vielen Jahrzehnten mit meist denselben Gegnern.

Star Trek: 2009 stellt eine Mischung aus einem Neustart und einer Fortsetzung dar. So etwas war wohl noch nie dagewesen, aber letztlich war ja auch so etwas wie Star Trek selbst vorher noch nie dagewesen. Mit einem simplen Zeitreisetrick verschaffte man sich die Möglichkeit, die alten Helden wieder jung zu präsentieren (kein Glaubwürdigkeitsproblem, sie leben ja ohnehin weit in der Zukunft) und man verschaffte sich ein völlig neues Star Trek Universum als Spielwiese: "Our destinies have changed.". Wunderbar. Was hätte man nun im zweiten Film alles machen können. Nun ja, eben schlichtweg alles. Ein völlig neues Star Trek-Abenteuer. Und was kam? Ein neuer Aufguss von "Wrath of Khan". Schön anzuschauen, unterhaltsam, mit ein paar Überraschungen, aber eben nur ein Aufguss. So etwas macht man bei Superheldencomics. Im neuen ST-Universum existierte Khan zwar auf jeden Fall, er hätte aber auch nach Belieben unentdeckt bleiben können. Irgendwann im 29. oder 30. Jahrhundert hätte man dann die vergammelten Leichen Khans und seiner Leute gefunden, die Energie reicht schließlich nicht ewig. Man wählte aber die Superhelden-Variante: Kirk und Spock kloppen sich wieder. Mit Erzfeind Khan.
Übrigens bringen auch neuere Star Trek Comics moderne Aufgüsse der klassischen TV Episoden. Die Tragweite des Grundsatzes "Our destinies have changed" wurde möglicherweise nicht begriffen, denn Figuren tauchen an genau den Orten auf, an denen sie auch in der klassischen Star Trek Serie aus den Sechzigern auftreten. Es ist wahrscheinlich, dass man sich schlichtweg nicht traut, völlig neue Geschichten und Szenarien zu entwickeln.

Bei Battlestar Galactica musste Anfang der 2000er klar sein, dass man die alte Version mit Pathos, Getöse und Glorifizierung des Militärs sowie eindimensionalen Gegnern an der Schwelle der Lächerlichkeit nicht einfach wiederaufnehmen und fortsetzen konnte. Man wählte den Weg eines Reboots, mit gebrochenen Helden, Infragestellung des Militärs, fragwürdigen Verhaltensweisen und ambivalenten Gegnern, die von der Menschheit abstammen/geschaffen wurden. Das gibt der Serie eine völlig andere Dynamik. Statt eines Krieges mit einem seelenlosen Feind führt man hier eine Art Bruderkrieg, ein Umstand, der sich durch die gesamte Serie zieht, zu diversen Wendungen führt und auch befriedigend aufgelöst wird. Leider ist die Serie "Caprica", welche vielversprechende Ansätze hatte, um auch die Vorgeschichte darzustellen, nach nur einer Season gescheitert.
Was sollen wir halten von einem Mann wie dem Grafen Baltar, der seine ganze Rasse an ein skrupelloses Robotervolk verraten hat, einen Genozid mit verursachte, aber als Witzfigur im Stile einer Louis de Funès Rolle daherkommt? Der Baltar der neuen Version ist ein Genie und ein Nerd, besessen von Sex, gewissermaßen schuldbeladen, extrem egoistisch, aber nicht eigentlich böse. So muss eine moderne TV Serienfigur sein.
"If anyone fights any one of us, he's gotta fight with me!" heißt es im Bonanza-Song. Sprecher ist natürlich Übervater Ben Cartwright. Der Papa wird's schon richten, dieses Prinzip übernahm auch Battlestar Galactica (1978), wo ebenfalls Lorne Greene den Übervater gibt. Natürlich stand auch Ben "Obi-Wan" Kenobi aus Star Wars Pate für diese Figur. Adama macht alles richtig, Adama hat den richtigen Riecher, Adama hat den Zylonen von Anfang an misstraut, als dieser Pazifismus-wütige Präsident noch an einen Friedensschluss geglaubt hat. Das Verhältnis Adamas zu seinem Sohn ist perfekt. Statt "Right or wrong, my country" haben wir hier den Grundsatz "Always right, my father." Wenn der neugewählte Rat der Zwölf Schwierigkeiten macht, wer hat immer von Anfang an Recht? Klar doch. Commander Adama. 
Der neue Adama, gespielt von Miami Vice Veteran Edward James Olmos, besitzt Erfahrung ohne Ende, ist ein militärisches Schlitzohr wie sein Vorgänger, hat oft den richtigen Riecher, und doch: er ist nicht perfekt. Er hat seine Fehler, kann auch mal Dinge falsch machen, bekommt sich mit der Präsidentin in die Haare und sein Sohn opponiert manchmal gegen ihn. Ist das besser als die alte Version? Wer weiß. In jedem Fall ist es interessanter. Was Battlestar Galactica (2003) an juristischen und (rechts)philosophischen Fragen aufwirft, gab es 1978 alles auch schon, das hat eine lange Tradition, die mindestens auf die alten Griechen zurückgeht. Aber damals hätte das niemand in eine Fernsehserie eingebaut. Eine zeitgemäße Neuerfindung.

Bei Perry Rhodan gab und gibt es viele Dinge, die über die Jahrzehnte beibehalten wurden. Jubiläumsbände mit ganz großen Enthüllungen über wer weiß wie große Zeiträume hinweg oder mit der Schaffung von völlig neuen Szenarien, Figuren mit geheimnisvollen Auren und kosmischer Bestimmung, kleine Helden, die über sich hinauswachsen, mächtige Mutanten (bis hin zum "Supermutanten"), Sternendiktatoren und was der Dinge mehr sind.

Nur echt mit den Gelben Zacken: Perry Rhodan 4. Auflage (1980)

Für den Leser gab es aber auch formal eine Konstante: Der Trend geht zum Zweitheft! Wenn wir uns Anfang der Achtziger vor Schul- und vor Geschäftsbeginn vom freundlichen Händler die gerade eingetroffenen Hefte aus den Paketen heraussuchen ließen, proklamierte dieser: "Perry der Erste und Perry der Zweite für Dich, und für Dich wieder Perry der Erste und... was war das? Perry der Vierte, ach so. Bitteschön." Erste und Dritte, Erste und Vierte, später die Fünfte, Atlan sowieso, PR spielt sich seit jeher auf mehreren Ebenen ab. Schon seit 1978 gibt es die Buchausgabe, die später von der Fünften Auflage überholt wurde.

Sammelmappe mit Perry Rhodan Nr. 1 (Faksimile 1988) sowie Perry Rhodan 5. Auflage Band 1-13, Perry Rhodan Buch Nr. 1 (Jubiläumsausgabe 1986), Perry Rhodan NEO Band 1

Als ich Ende der Neunziger mal meinen PR samt Atlan Traversan in Hannover im Bahnhofsbuchhandel erwarb, damals wegen der umfangreichen EXPO- Umbauten des Hbf. im Container vor dem Gebäude, war vor mir ein Mann, der die gleichen Hefte erwarb. Die Kassiererin: "Das ist ja das Gleiche!?". Das konnte sie kaum fassen.Das gleiche Heft, ja, aber die gleiche Kombination von Heften? Heute ist daraus im Internethandel eine Werbestrategie geworden: "Wird oft zusammen gekauft:...".
Die Nachauflagen wurden nach und nach Geschichte (weil eben nicht mehr alle fünf Jahre eine neue zahlenstarke Lesergeneration auftrat), Atlan Traversan und andere Kurzzyklen waren nicht besonders langlebige, wenngleich zeitweise erfolgreiche Experimente. (Diese werden ja gerade als e-books aufgelegt.)
Nach wie vor aber hat der Fan (welcher die alten Romane längst kennt bzw. zwischenzeitlich auch als e-books jederzeit zu beliebigen Zeitpunkten erwerben kann) Bock auf einen weiteren PR. Wenn nicht allwöchentlich, so doch alle zwei Wochen. Ein Konzept, das dem Rechnung tragen sollte, war PR Action. Neue Romane in alter PR-Zeit. Großadministrator inbegriffen. Der Ableger brachte es auf sechsunddreißig Bände und ist daher kaum als völlig erfolglos anzusehen. Aber er ist nur ein Vorläufer der eigentlichen Innovation. Zum 50jährigen Jubiläum traute man sich, einen echten Reboot zu bringen: Perry Rhodan NEO. Das genannte Prinzip "Der Trend geht zum Zweitheft." funktioniert hier in beide Richtungen: Der Altleser greift neugierig auch zum NEO, der über NEO eingestiegene Jungleser entwickelt irgendwann Neugier auf den klassischen Perry. Momentan ist mit PR Stardust noch das Drittheft auf dem Markt, und die PR Serie ist mit Printversion, e-books und Hörbüchern zeitgemäß und gut aufgestellt.

Dienstag, 25. Februar 2014

Der Kommissar: Der Segelbootmord

(Folge 80, Erstsendung 25.10.1974)
Eine Kommissar-Folge, die am Starnberger See spielt, mit Die Drei Fragezeichen - Erzähler Peter Pasetti und "Der Alte"-Assistent Michael Ande als Gaststars. Was will man mehr?
Die junge Ehefrau von Dr. Reger (Pasetti), der seinen Sohn in einem Internat am Starnberger See besucht, ist beim Segeln verunglückt - scheinbar. Reger ist zunächst der Einzige, der ein Verbrechen vermutet. Druckstellen am Fuß der Frau, die von der Umklammerung durch eine Hand herrühren können, sowie eine unter dem Segel gefundene Gummiflosse erhärten den Verdacht. War hier ein Taucher am Werk? Als die Gummiflosse auch noch aus dem Polizeiwagen verschwindet, wird klar, dass ein Verbrechen vorliegt. Reger Junior, der selber als Täter nicht in Frage kommt, weil er gemeinsam mit seinem Vater das Geschehen mit ansah, und seine drei Zimmergenossen hatte ein auffallend gutes Verhältnis zu Regers Ex-Frau. Hat einer der drei Kameraden die junge Frau getötet?
Der seriöse Ältere Herr und der wie auch immer geartete Generationenkonflikt - sie gehören in etlichen "Kommissar"-Folgen zum Inventar. Pasettis Rolle hat den Vorteil, von vornherein nach Anlage der Story nicht zum Kreis der Verdächtigen zu gehören, ist also weniger ambivalent angelegt als in anderen Fällen. Pasetti spielt die Figur -weniger konservativ als vielmehr vom betonten Liberalismus der Siebziger geprägt- mit einer Intensität, die sich hinter der Leistung bekannterer Gastdarsteller der Serie (Curd Jürgens, Martin Held, usw.) nicht verstecken muss.
Der Schrecken aus der Tiefe - fast meint man, Reinecker habe sich vom im gleichen Jahr veröffentlichten Hollywood-Hit "Der Weiße Hai" ("Jaws") inspirieren lassen.