Mittwoch, 27. Juli 2016

Derrick Folge 10: Hoffmanns Höllenfahrt

Derrick Folge 10:
Hoffmanns Höllenfahrt (1975)
Der Fernsehtechniker Richard Hoffmann (Klaus Löwitsch), bis dato ein unbescholtener Bürger, vergewaltigt und tötet die Tochter seines Nachbarn, Anneliese (Ingrid Steeger), der er eines Tages nachts auf der Landstraße begegnet. Die junge Frau ist auf dem Rückweg von einer Feier, alkoholisiert und mit dem Fahrrad unterwegs. Als tags darauf ihre Leiche auf einer Müllkippe gefunden wird, ermitteln Oberinspektor Derrick und Inspektor Klein. Ein Zeuge (Willy Schäfer) liefert wertvolle Hinweise. In den Fokus gerät alsbald Hoffmann, der sich zunehmend seltsam verhält und sehr gestresst wirkt.
Wie alle frühen Derrick-Folgen richtet sich Hoffmanns Höllenfahrt nicht nach dem Whodunit-, sondern nach dem Columbo-Schema, bei dem der Täter von Anfang an bekannt ist. Die Wandlung des Allerweltsmenschen Hoffmann zum Schuldigen wird von Krimiroutinier Klaus Löwitsch überzeugend dargestellt. Etwas blass bleibt Judy Winter in der Rolle seiner Ehefrau. Dass die Ehefrau ihrem Gatten "Probleme mit Frauen" andichtet (wohl aufgrund von Seitensprüngen, jedenfalls nicht wegen vorhergehender Delikte) wirkt etwas befremdlich. Hier soll wohl dem Eindruck des Biedermannes, der zum Täter wird, entgegengewirkt werden, indem Hoffmann als prädestinierter Verbrecher hingestellt wird. Dem steht der Tathergang entgegen. Hoffmann scheint sich zunächst gegen das Sexualdelikt zu sträuben, sich dann aber einzureden, das Gerede Annelieses im alkoholisierten Zustand als Avancen zu interpretieren. Das Tötungsdelikt geschieht ohne direkten Vorsatz, wenngleich ein Mordmerkmal (die Tat geschieht zur Verdeckung einer Straftat) vorliegt. Über einen Eventualvorsatz (billigendes Inkaufnehmen des möglichen Todes des Opfers) kann man allerdings streiten.
Ein Problem der Folge liegt in der fehlenden Darstellung wissenschaftlicher Ermittlungsarbeit. Auch in den Siebzigern sollte es möglich gewesen sein, ein Auto kriminaltechnisch zu untersuchen, um festzustellen, ob ein (bestimmtes) Fahrrad im Kofferraum gelegen hat. Lackkratzer und dergleichen geben Aufschluss, ebenso Schmutz. Geradezu schlampig wirkt der Umstand, dass man nicht intensiver nach dem Fahrrad sucht und dass der Einsiedler nicht gefunden wird. Es wäre für die Geschichte vielleicht besser gewesen, Hoffmann seinen anfänglichen Vorsatz, den Einsiedler zu töten, ausführen zu lassen, dann hätte jedenfalls ein Mord vorgelegen. Die Schlussszene wirkt sehr gewollt, um zu einem gerüttelt Maß an Action und zu einem dem Titel gerecht werdenden Ende zu kommen und ist sehr unrealistisch. Derrick hätte sein Ziel auch im Verhörraum erreichen können. Handwerklich überzeugend ist die Szene aber allemal, Derrick-Zuschauer, die nur die Folgen der Neunziger kennen, würden ihren Augen nicht trauen.
Fazit: Unterhaltsam. Eine bessere Bearbeitung des Themas liefert die Kommissar-Folge "Mit den Augen des Mörders".